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Kind und Karriere – Vereinbarkeit beginnt bei dir selbst

„Als Frau sind Sie ein Risiko für uns“, so lautete der Titel eines Gastbeitrags der Rechtsanwältin und Mutter Nina Diercks im Rahmen des Monatsthemas „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ im XING Spielraum. Rund 60 Kommentare und das Feedback zum Facebook-Beitrag führten zum Aufruf zur Blogparade: #KindUNDKarriere

Ich bin seit vielen Jahren mit meinem Mann zusammen selbstständig, und unsere 3 Kinder kamen im 2-Jahres-Abstand. Ich bin durchgehend berufstätig geblieben und habe viele eigene Lernerfahrungen gemacht – manchen Rat hätte ich mir eher gewünscht. Darüberhinaus sind Fragen wie „Kinder- Ja oder Nein“ und zur Vereinbarkeit von Kindern und Beruf und vor allem Karriere immer wieder Themen in meinen Coachings. Daraus habe ich die 6 wichtigsten Tipps zusammenfasst:

1) Die eigene Linie finden
Naheliegend ist es zu schauen, wie denn Andere im Freundes- oder Familienkreis das Thema „Vereinbarkeit“ meistern. Das ist gut, aber man sollte auch aufpassen: Vorbilder können auch verwirren – es gibt immer jemand, der es besser kann. Übersehen wird dabei oft, dass „es“ nur ein winziger Ausschnitt der Lebenssituation desjenigen ist und deshalb nicht auf unsere eigene Situation übertragbar ist.

Doch bevor es an Klärung von ganz praktischen Fragen und Karrierestrategien geht, steht die eigene Person im Mittelpunkt: Kläre für Dich selbst, was Du willst: Wie wichtig ist mir die Familie? Was bedeutet „Beruf“ und „beruflicher Erfolg“ für mich? Was will ich im Leben erreiche, wie stelle ich mir mein/unser Leben vor? Nur wer für sich selbst Klarheit gewonnen hat, kann im Dschungel der Ansprüche und der Rückmeldungen der Anderen bestehen. Coaching unterstützt Dich dabei.

Vereinbarkeit von Kind und Karriere bedeutet nicht, dass beide Bereiche gleich wichtig sind! Im Gegenteil: Im Zweifelsfall ist es wichtig zu wissen, wo die Prioritäten liegen. Wenn wir im Coaching an Werten arbeiten, erlebe ich oft, dass „Familie“ oder „Gesundheit“ an erster Stelle genannt wird. Bricht man diese Wertvorstellung auf Alltagssituationen herunter, werden plötzlich andere Entscheidungen getroffen – Konflikte sind vorprogrammiert. Deine Werte leiten Dein Handeln – kläre sie für Dich!

Wir haben heute ganz viele Möglichkeiten, Berufstätigkeit und Kinderbetreuung zu gestalten. Muss man also nur wollen, dann geht alles? Mit einer solchen Leitlinie setzen wir uns unter einen enormen Druck, denn meist lernen wir ganz schnell, dass es enorme Kraft kostet, eigene Vorstellungen ERZWINGEN zu wollen. Leitlinien müssen realistisch und flexibel sein: Es geht alles, was wir wollen. Manchmal muss man nur das „Wollen“ ein bisschen nachjustieren.

2) Die Beziehung pflegen
Mutter sein, besonders beim ersten Kind, UND Berufstätigkeit sind ein gewaltiger Kraftakt. Gut, wenn wir eine Beziehung haben, die dieses Paket mit trägt. Aber Beziehung will und muss gepflegt werden, um dauerhaft zu halten. Ein gute Partnerschaft ist nichts Selbstverständliches. Und Familienzuwachs bedeutet Neudefinition der Rollen der Familienmitglieder. Im Alltagsstress ist die Gefahr groß, nur noch „Mutter“ und „Vater“ zu sein. Pflege Deine Beziehung wie eine empfindliche Pflanze. Und denke daran: Wenn es den Eltern gut geht, dann geht es auch den Kindern gut.

3) Netzwerke aufbauen
Netzwerke sind absolut unerlässlich. Wir brauchen jemanden, den wir anrufen können, wenn ein Kind krank ist, ein Geschäftstermin länger dauert, etc. etc. Netzwerke funktionieren durch Geben und Nehmen. Was können wir selbst zum Netzwerk beitragen? Ich hatte in der Fahrgemeinschaft für den Kindergarten eine Nachbarin, die selbst keinen Führerschein hatte. Ich habe ihr Kind mitgenommen und hatte dafür die Gewissheit, dass meine Kinder jederzeit zu ihr kommen können. Die Grundlage eines guten Netzwerks ist Beziehung und Vertrauen: Habe ich dort im Kontakt ein gutes Gefühl? Wenn das Bauchgefühl nicht stimmt, ist es eine Notlösung, kein Netzwerk.

4) Familie: Blut ist dicker als Wasser
Den Versuch mit einer professionellen Betreuung machten wir nur 1 Mal. Aufgabe: Mit dem Kind durch den sommerlichen Englischen Garten spazieren, während mein Mann und ich ein Kundengespräch hatten. Nach 2 Stunden erhielten wir ein völlig außer sich weinendendes Kind zurück in einer völlig durchnässten Windel…

Familie funktioniert bei uns immer. Auch wenn die Großeltern die Kinder nur alle paar Monate sahen. Großeltern (natürlich auch Tanten und Onkel…) können z. B. ins Haus kommen, wenn ein Kind krank ist. Sie sind für Kinder vertraute, wichtige Bezugspersonen. Dass es mit der Betreuung in der Familie besser klappt, wird mir immer wieder bestätigt – selbst dort, wo die Beziehungen untern den Erwachsenen nicht spannungsfrei sind.

5) Abschied von der Perfektion
Am hilfreichsten war für mich das Mütter-Mantra „Es ist nur ein Phase“ – ursprünglich unglaublich nützlich für zahnende Babys, Trotzphasen und sonstige Entwicklungsschübe. Aber: Das Mantra gilt auch für uns Mütter! Ungebügelte Kleidung, nichts gekocht, Chaos in der Wohnung – glaubt mir: Es ist nur ein Phase! Und deshalb darf man sich das Leben in diesen Phasen auch einfacher machen. Ohne schlechtes Gewissen. Und dann gibt es eben eine zeitlang häufig Fertigpizza, nicht nur ungebügelte Bettwäsche, sondern auch ungebügelte T-Shirts und jede Menge Wollmäuse. Es ist nur eine Phase.

6) In der Elternzeit Kontakt zum Arbeitgeber halten
Ein Diskussionspunkt im Xing Spielraum: Die Journalistin Bascha Mika vertritt die These, dass eine schlechte Einbindung von Müttern in den Arbeitsmarkt auch daran liegen kann, dass einige Frauen es sich leicht machen und die Ankunft eines Kindes als Notausgang aus einer unbefriedigenden Tätigkeit nutzen. Ist da Ihrer Meinung nach was dran?

Mir gefällt die Formulierung „es sich leicht machen“ nicht. Ich glaube, der Vorgang läuft viel unbewusster ab. Die erste Zeit nach der Geburt eine Kindes nimmt eine Frau rund um die Uhr voll in Anspruch. Wenn nun die letzte Arbeitsstelle nicht befriedigend war, was soll mich in dieser Zeit motivieren, z. B. Zeit und Kraft in die Aufrechterhaltung von Kontakten zu stecken.  Oft sind auch die eigenen Ziele für die weitere Berufstätigkeit nicht klar. Man müsste sich mal wieder melden…. so vergeht Woche um Woche… Viele Frauen wissen auch nicht, wie sie effektiv und im Sinne eines „Selbstmarketing“ Kontakte pflegen können. Sie wissen nicht, wie wichtig es ist, den Kontakt zum Arbeitgeber zu halten – nicht nur aus ganz praktischen Erwägungen, sondern auch für das eigene Selbstbild: „Ich bin berufstätig“ – nur gerade nicht da. Werde Dir von Anfang an über Deine Ziele für das weitere Berufsleben klar und entwickle eine Strategie!

Wenn ich Artikel zur Vereinbarkeit von Kind und Karriere oder auch verschiedene Elternblogs lese, frage ich mich oft, wie sie wohl auf „Noch-nicht-Eltern“ wirken. Wer soll angesichts angekündigten der Probleme und Schwierigkeiten Lust auf Kinder bekommen? Bestenfalls werden zum Thema Kinderwunsch Vor- und Nachteile gegeneinander abgewogen. Aber der Wunsch nach Kindern und Familie ist ein Gefühl. Es gibt keine rationalen Gründe für Kinder und Familie.

Ich glaube, der häufigste Irrtum liegt in der (oft unbewussten) Vorstellung: „Das Leben soll einfach sein.“  Ich muss nur das „ideale Rezept“ finden, dann wird es funktionieren, und ich lebe glücklich und zufrieden bis an das Ende aller Tage.…

Aber das ist nicht „Leben“ und „leben“. Leben ist nicht vorhersehbar und im besten Fall überraschend, beeinflussbar, unbeeinflussbar, chaotisch, gemeinsam, anregend, aufregend, liebevoll – Familie.