Weihnachten ist das emotionalste Fest im Jahr. Vor ein paar Tagen habe ich einen Artikel über den Sonntag geschrieben, der unter Umständen schwierig werden kann, wenn viele Familienmitglieder zu viele Erwartungen an den freien Tag haben. An Weihnachten ist das noch viel extremer, insbesondere, wenn über Verwandtschaftsbesuche noch mehr Personen daran beteiligt sind. Im Mittelpunkt stehen aber dein Partner und du.
Gerade für das Paar wird Weihnachten oft zur Belastungsprobe. Die meisten Paare sehen sich in der Woche relativ wenig, und diese wenige Zeit ist oft noch vollgepackt mit Alltagsorganisation. Wenn ihr kleine Kinder habt, ist oft auch noch der Heiligabend durchorganisiert und gleichzeitig turbulent. Die Streitgefahr lauert an den beiden Weihnachtstagen. Dann verbringt man auf einmal viel Zeit miteinander, und die unterschiedlichen Erwartungen an die Festtage werden auf einmal deutlich.
Allgemeine Tipps, um gar nicht erst viel Stress aufkommen zu lassen, sind:
- Der häufigste Tipp in anderen Artikeln heißt: Erwartungen an Heiligabend, Festtage, Ablauf, Festessen – einfach an alles – herunterschrauben! Das gefällt mir nicht. Denn so formuliert klingt es einfach nach Verzicht. Die Fragen müssen nur anders gestellt werden. Wir wünschen uns eine schönes, gemeinsames Festessen. Was kennzeichnet ein „schönes Festessen“. Müssen es wirklich 5 Gänge sein? Was können wir gemeinsam genießen? Was ist etwas Besonderes, das einfacher zuzubereiten ist? Es gilt, den Blick auf andere Schwerpunkte zu richten: „Genießen“ ist ein Gefühl, und Gefühle brauchen Zeit. Deshalb ist weniger mehr. Weniger Zeit in der Küche, mehr Zeit am gemeinsamen Tisch. Oder für das Spiel mit den Kindern.
- Legt eine Liste an, was sozusagen das „Pflichtprogramm“ für die Feiertage ist, das gilt vor allem für die Verwandtenbesuche bei Euch oder außer Haus. Wenn ihr Vorbereitungen und Fahrzeiten berücksichtigt, dann wird deutlich, wieviel „freie“ Zeit noch bleibt.
- Auf keinen Fall die ganze Zeit verplanen. Oft hat man bei „effektivem Zeitmanagement“ den Eindruck, dass der Kalender ist zur letzten Minuten mit Terminen gefüllt wird. Genau das ist aber der größte Fehler. Die Leitlinie heißt: Weniger ist mehr.
- Wenn ihr sehr eingespannt seid, z. B. durch kleine Kinder, überlegt, was wichtig und was unwichtig ist. An Heiligabend sind für Kinder nur die Geschenke wirklich wichtig. Und für deinen Partner und dich? Könnt ihr zuschauen, wie sich die Kinder freuen? Mitmachen? Helfen, Playmobil oder Lego aufzubauen? Und wie sieht es mit den nächsten Tagen aus? Ein Festessen an den Feiertagen ist eine schöne Tradition. Ist es einfacher, wenn es zu Hause oder wenn es z. B. bei den Eltern/Schwiegereltern stattfindet?
- Bitte um Hilfe! Andere Familienmitglieder helfen sogar gern. Es macht auch Spaß, z. B. die Mahlzeiten gemeinsam zuzubereiten. Nur wissen die anderen manchmal gar nicht, was sie tun sollen. Sag‘ es ihnen.
- Wenn ihr spürt, dass bei den Familientreffen (oder auch im kleinen Kreis) die Stimmung „gereizt“ wird, gibt es eine Soforthilfe: Frische Luft! Und Bewegung! Im größeren Familienkreis ist eine Trennung in kleinere Gruppen sinnvoll.
- Überlegt, was euch als Familie gut tut. Hinweise dazu findet ihr auch in meinem Artikel über zur Gestaltung des Sonntags.
Wenn es aber den Feiertagen zwischen Euch als Paar zu Streit kommt, möchte ich euch noch ein paar Tipps mitgeben, wie man damit umgehen kann. Denn da Weihnachten ein so gefühlsbeladenes Fest ist, kann auch ein Streit sehr heftig werden. Und im heftigen Streit kommt des schnell zu sehr verletzenden Bemerkungen. Die tiefen gegenseitigen Verletzungen wirken langfristig auf die Beziehung zerstörerisch. Ein Ziel ist es also, die Beziehung im Streit zu schützen.
- Was immer hilft, ist „einen Schritt zurücktreten„. Schau dir den Streit sozusagen „von außen“ an. Wie ist es gerade jetzt dazu gekommen? Sind wir vielleicht müde? War das Essen mit den Eltern bzw. Schwiegerelten sehr anstrengend – für dich, für deinen Partner? Warum liegen gerade jetzt die Nerven blank? Und dann sprich‘ darüber, das nimmt den Druck vom Streitthema.
- Positive Kernbotschaften für die Beziehung: Ganz wichtig ist, dass du deutlich machst, dass du zu grundsätzlich zu deinem Partner und eurer Beziehung stehst. Unterschätze dies nicht, die Beziehung wird auch bei scheinbar banalen Streitthemen oft sehr schnell in Frage gestellt. Gib deinem Partner ein positives, konstruktives Signal: „Ja, wir haben jetzt Streit / sind verschiedener Meinung. Aber das Wichtigste ist: Ich liebe dich, und ich will mit dir zusammenleben. Alles weitere schaffen wir schon.“ Es sind Botschaften, die das Gemeinsame zwischen Euch betonen, nicht das Trennende!
- Denke auch an die psychologische Seite: Streit heißt letztlich, dass dir dein Partner wichtig ist, dass ihr euch wahrnehmt, dass ihr euch auseinandersetzt. Erst Gleichgültigkeit ist das Ende einer Beziehung.
- Wichtig sind Aussagen über sich selbst. Manchmal ist man noch so sauer, dass man noch nicht wieder auf den anderen zugehen kann. Dann sag‘ ihm das, sinngemäß: „Du bist mir wichtig. Aber jetzt bin ich noch so sauer, dass ich noch nicht ruhig mit dir reden kann. Lass‘ uns später reden …“
- Gerade, wenn du sehr sauer warst, frage dich: Was habe ich bisher zur Lösung des Streits beigetragen? Was kann ich jetzt sagen/tun, was konstruktiv wirkt?
- Vielleicht sagst du jetzt, dass du das nicht kannst, weil es ja ein Nachgeben wäre. Dann geht es in eurem Streit nicht mehr um die Sache, sondern um Machtfragen, und damit steht das Trennende im Vordergrund. Es geht aber um die Beziehung, um eure Beziehung miteinander. Zeige dem Partner, dass dir eure Beziehung wichtig ist!
- Wenn der Streit sehr heftig ist: Beschließt, zu einem ruhigeren Zeitpunkt wieder darüber zu sprechen. Vereinbart einen festen Termin (vielleicht für einen Spaziergang?).
- Auch eine Form, einen Schritt zurückzutreten und damit die Schärfe aus dem Geschehen zu nehmen: Vereinbart, wie lange ihr noch weiterstreiten wollt. „Wir streiten jetzt noch 20 Minuten, bis 12 Uhr.“ Probiert das mal aus, das hat oft verblüffende Effekte.
- Wenn es zur Ausweitung des Streits kommt: Nach kurzer Zeit des Streits hat meist ein Wort das andere ergeben, und oft weiß man schon nicht mehr, um was es eigentlich geht. Trennt die Streitpunkte („Das erlebe ich als Ausweitung unseres Streits. Den Punkt möchte ich später extra diskutieren. Eigentlich geht es doch darum…“). Und besinnt Euch darauf, was ihr eigentlich erreichen wollt. Ein Streit um das Weihnachtsessen bei den Schwiegerelten – eigentlich geht es doch darum, wie ihr an den Feiertage Erholung findet, wie ein Familienfrieden (wessen?) gewahrt wird, etc.
- Und die für mich wichtigste Regel für Beziehungen, nicht nur zu Weihnachten: Niemals im Streit zu Bett gehen! Und im Bett wird nicht gestritten. Dann müsst ihr schon wieder aufstehen. Im Bett herrscht mindestens Waffenstillstand. Ihr müsst nicht miteinander schlafen, obwohl gerade dann der Sex auch ganz schön auf regend sein kann. (Wer sich nicht streitet, kann sich auch nicht versöhnen!)
Wenn man streitet, wenn man also Stress hat, passiert ganz vereinfacht gesagt folgendes: Der Körper schaltet auf Kampf! Und im Kampf darf man nicht nicht viel nachdenken, schon gar kein kompliziertes Abwägen von Argumenten dafür oder dagegen. Deshalb schaltet der Körper das Großhirn ab und auf das Kleinhirn (Motorik) um. Und deshalb neigen wir dazu, einfach loszukämpfen und nicht mehr vernünftig zu argumentieren. („Einen Schritt zurücktreten“ heißt also, das Großhirn wieder einzuschalten). Solange wir im Kampfmodus sind, können wir nur ganz einfache Gedanken und Ziele verfolgen, die wir im Streitfall vorbereitet verfügbar haben müssen.
Falls es also an Weihnachten kracht, erinnere dich an folgende 3 Punkte:
- Positive Kernbotschaften für die Beziehung
- Einen Schritt zurücktreten
- Niemals im Streit ins Bett.
Ich wünsche euch frohe Festtage, wirkliche Erholung und schöne gemeinsame Stunden als Paar und in der Familie.